Nichts für zarte Gemüter!
Was bleibt von einer Ehe, wenn die Kinder aus dem Haus sind, man in den Ruhestand geht und sich plötzlich und unbarmherzig auf sich selbst zurückgeworfen findet?
Gary und Irene stehen genau an diesem Punkt. Die Überreste von dreißig Jahren Ehe: ein Scherbenhaufen aus unerfüllten Hoffnungen, enttäuschten Erwartungen und verpassten Gelegenheiten, Bedauern und die späte Erkenntnis, dass die Ehe nur eine andere Form des Alleinseins ist.
Aber Gary hat einen Traum. Seit er mit Mitte Zwanzig mit Irene aus Kalifornien nach Alaska gezogen ist, träumt er von einem Leben in der Wildnis. Er möchte eine Blockhütte auf Caribou Island bauen und dort in der Einsamkeit und rauen Schönheit Alaskas leben. Und obwohl Irene bereits ahnt, dass sie selbst nicht Teil dieses Traumes ist, hofft sie, ihre Ehe doch noch retten zu können, indem sie Gary bei der Verwirklichung seines Planes hilft. Inmitten eines gewaltigen Sturmes machen sich die beiden gemeinsam auf den Weg nach Caribou Island. Doch das verzweifelte Unterfangen scheint von Anfang an zum Scheitern verurteilt und die Hütte - in Garys Vorstellung die Verkörperung der Gedanken eines Mannes, ein Spiegel seiner selbst - entpuppt sich schon während des Baus als eine zugige, windschiefe Bretterbude, die äußere Manifestation seiner gescheiterten Existenz.
Während sich die Ereignisse vor der gewaltigen Kulisse der unermesslichen Weiten Alaskas allmählich zuspitzen und unausweichlich auf ihr tragisches Ende zusteuern, sorgt sich Garys und Irenes Tochter Rhoda auf der anderen Seite des Sees um ihre Eltern. Und dabei sollte sie sich doch eigentlich Gedanken um ihre eigene Zukunft machen, ihre Hochzeit planen. Sie ahnt nicht, dass sich ihr zukünftiger Ehemann Jim inzwischen ganz eigene Gedanken über den Sinn des Lebens gemacht hat und zu dem Schluss gekommen ist, dass weder Glaube noch Ruhm oder Macht zählen, sondern es nur darauf ankommt, mit so vielen Frauen wie möglich zu schlafen.
Wie schon sein vorheriger Roman „Im Schatten des Vaters“ ist auch „Die Unermesslichkeit“ nichts für zarte Gemüter. Die Stimmung ist beklemmend und birgt immer die Ahnung eines drohenden Unheils, schicksalhaft und unentrinnbar. Und unweigerlich drängt sich die Frage auf, wie viel von unserem Leben wir überhaupt selbst in der Hand haben und wie viele Muster unbewusst von den Eltern übernommen werden.
Die Sprache klar und knapp, auf das Wesentliche reduziert, ohne Schmuck und Schnörkel, ist wie ein Spiegel der rauen, unberührten Natur, aus der der Roman viel von seiner Kraft bezieht.